
Bachelorarbeit schreiben lassen – warum niemand darüber spricht, aber viele es tun
19.05.2025 | 22:13
Kaum ein Thema sorgt in studentischen Foren für so viel Flüstern wie die Möglichkeit, die eigene Abschlussarbeit extern erstellen zu lassen. Offiziell heißt es, wissenschaftliche Arbeiten müssten selbstverständlich selbst verfasst werden; inoffiziell recherchieren jedes Semester Tausende nach Dienstleistern, bei denen man eine Bachelorarbeit schreiben lassen kann. Während Universitäten darüber weitgehend schweigen, zeigen Marktanalysen und Umfragen, dass Ghostwriting längst fester Bestandteil der akademischen Realität ist. Warum reden also so wenige offen darüber – und weshalb entscheiden sich dennoch immer mehr Studierende für diesen Schritt?
Ghostwriting im Studium – ein offenes Geheimnis
Spätestens seit der Corona‑Pandemie ist das digitale Angebot an Ghostwriter‑Agenturen explodiert. Eine einfache Google‑Suche liefert über 3 Millionen Treffer, und laut Statista (2025) gaben 17 % der befragten Studierenden anonym zu, schon einmal professionelle Schreibhilfe in Anspruch genommen zu haben (https://de.statista.com). Gleichzeitig existiert eine deutliche Diskrepanz zwischen öffentlicher Ächtung und heimlicher Nachfrage.
Der Markt reagiert: Auf Bewertungsplattformen wie ProvenExpert finden sich hunderte Rezensionen, die Qualitätsniveau und Termintreue der Anbieter vergleichen. Selbst Fachzeitschriften wie Nature diskutieren längst, wie Universitäten mit professionellen Schreibdiensten umgehen sollen (Nature Editorial, 2024, https://www.nature.com/articles/d41586-024-00314-5). Das Schweigen in Hörsälen schützt also nicht vor der Tatsache, dass Ghostwriting für viele ein ernsthaftes Hilfsmittel geworden ist.
Hinzu kommt die Verlagerung von Lernprozessen ins Internet: Discord‑Gruppen, Telegram‑Kanäle und Reddit‑Threads tauschen Empfehlungen, Rabattcodes und Erfahrungsberichte aus. Wer sucht, findet – nur eben selten auf den offiziellen Seiten der Hochschulen.
Warum Studierende Hilfe in Anspruch nehmen
Wer Ghostwriting für bloße Faulheit hält, übersieht die hochschulische Realität. Laut der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks arbeiten 68 % aller Studierenden nebenbei, durchschnittlich 16 Stunden pro Woche (https://www.dzhw.eu). Hinzu kommen steigende Mieten, knappe Prüfungskalender und die Erwartung, gleichzeitig Praxiserfahrung zu sammeln. Unter solchen Bedingungen wird die Abschlussarbeit schnell zum zeitlichen Klotz am Bein.
Zeitmangel und Mehrfachbelastung
Duales Studium, Nebenjob, familiäre Verpflichtungen – die Nettoarbeitszeit pro Woche überschreitet bei vielen 50 Stunden. Eine empirische Bachelorarbeit erfordert aber laut CHE‑Leitfaden im Schnitt 300 Arbeitsstunden (CHE Centrum für Hochschulentwicklung, 2023).
Psychischer Druck
Die TK‑Stressstudie 2024 zeigt, dass 46 % der Studierenden sich häufig erschöpft fühlen; 23 % berichten von Prüfungsangst. Ein extern erstelltes Kapitel kann hier akut Druck reduzieren.
Sprachliche Barrieren
Rund 14 % der Bachelorstudierenden in Deutschland stammen aus dem Ausland (DAAD 2024). Komplexe Zitierregeln und wissenschaftlicher Stil auf Deutsch stellen zusätzliche Belastung dar.
Komplexe Themen und Methoden
Statistische Analysen, Programmierung, Laborversuche – wer fachlich überfordert ist, sucht Experten‑Ghostwriter mit einschlägiger Erfahrung.
Das Muster: Ghostwriting erscheint nicht als bequemer Ausweg, sondern als Notfall‑Werkzeug, wenn Ressourcen und Nerven knapp werden.
Ist das erlaubt? Rechtliche und ethische Aspekte
Gesetzliche Lage
Ghostwriting ist in Deutschland nicht per se verboten. Das Urheberrecht (§ 7 UrhG) erkennt den Ghostwriter als Schöpfer an, der Nutzungsrechte übertragen kann. Illegal wird es, wenn die Arbeit als eigene deklariert wird – dann liegt Prüfungsbetrug vor (§ 63 HG NRW).
Universitäre Richtlinien
Viele Hochschulen verlangen eine eidesstattliche Erklärung: „Ich habe die Arbeit selbstständig verfasst…“. Wer dagegen verstößt, riskiert Note 5, Exmatrikulation oder sogar Strafanzeige. Die Humboldt‑Universität zu Berlin nutzt seit 2024 zusätzlich den Turnitin‑AI‑Detector zum Aufspüren maschinell generierter Texte (https://www.hu-berlin.de).
Graubereich Coaching
Agenturen deklarieren ihre Texte als „Musterlösung“ oder „Plagiat‑freie Vorlage“. Die Verantwortung zur Anpassung bleibt offiziell bei den Studierenden. Rechtlich ist das graues Terrain: Erlaubt als Lernhilfe, verboten als Täuschungsversuch.
Ethische Dimension
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fordert „gute wissenschaftliche Praxis“. Kritiker sagen: Wer Essenz und Argumente nicht selbst erarbeitet hat, verletzt diese Praxis. Befürworter betonen hingegen, dass Ghostwriting einem Lektorat plus Tutorium gleiche, sofern Studierende den Inhalt verinnerlichen.
Wer nutzt Ghostwriting – und warum?
Expert Statement (Dr. Sara Lindner, Ghostwriting‑Coach):
„Ein Großteil meiner Kunden sind nicht Faulenzer, sondern Perfektionisten mit hohen Ansprüchen, die sich Hilfe holen, um keine Abstriche bei Methodik oder Sprache zu machen.“
Wie funktioniert das Schreibenlassen konkret?
- Anfrage & Themenklärung
Studierende senden Frist, Seitenzahl, Leitfaden. Seriöse Anbieter beantworten binnen 24 Stunden und schlagen Autor*innen mit Fachabschluss vor. - Exposé & Gliederung
Der Ghostwriter erstellt ein Outline mit Zielsetzung, Hypothesen, Methodik. Kunde prüft, gibt Feedback. - Kapitelweise Lieferung
Forschung, Literaturreview, Methodenteil, Ergebnisse – jeweils mit Quellennachweisen. Nach jedem Abschnitt erfolgt Rücksprache. - Plagiats‑ und Qualitätscheck
Turnitin‑Report (<10 % Similarity) und ggf. Grammatik‑Tool (Grammarly). Bei Abweichungen Überarbeitung. - Finale Abgabe & Revisionen
Zwei bis drei kostenlose Korrekturschleifen sind branchenüblich. Endfassung im .docx‑ und PDF‑Format. - Eigenrevision durch Studierende
Verantwortungsvolle Nutzer lesen, verstehen, passen Stil an und bereiten sich auf Kolloquium vor.
Preise liegen zwischen 40 und 70 €/Seite; Expresszuschläge können +50 % betragen. Teilzahlungen (30 % / 30 % / 40 %) gelten als seriöser Standard.
Fazit – Zwischen Tabu und Lösung
Ghostwriting bleibt ein Spannungsfeld: offiziell verpönt, faktisch verbreitet. Die Zunahme komplexer Studienordnungen, Nebenjobs und psychischen Belastungen treibt Studierende in eine Ecke, in der Outsourcing verlockend erscheint. Wichtig ist, den Prozess transparent und verantwortungsvoll zu gestalten:
- Offene Debatte statt Stigma: Hochschulen sollten Coaching‑Modelle und Schreibzentren ausbauen.
- Klare Regeln: Studierende müssen verstehen, wo Hilfe endet und Betrug beginnt.
- Selbstreflexion: Wer outsourced, trägt Verantwortung, den Stoff zu beherrschen.
Eine „Bachelorarbeit schreiben lassen“ ist also nicht per se Schummelei, sondern oft ein Symptom überlasteter Lernrealitäten. Anstatt das Thema zu tabuisieren, sollte das Bildungssystem Wege entwickeln, Studierende besser zu unterstützen – damit die Entscheidung für oder gegen Ghostwriting auf echten Alternativen basiert und nicht auf verzweifeltem Zeitmangel.